plantagen

/// Installation Artrepco Galerie 2006


Während Stadtbewohner sich durch den Verkehrsdschungel kämpfen, ist für viele Menschen der echte Urwald harter Alltag. Beispielsweise für ein Mädchen, welches im brasilianischen Regenwald den Rio Negro jeden Tag über eine Seilbahnkonstruktion überqueren muss, um zur Schule zu gelangen. Die Überwindung der unberechenbaren Naturgewalt wird zur täglichen Herausforderung. Eine großformatige Zeichnung der Berliner Künstlerin Uta Siebert hält den gefährlichsten Moment des Schulwegs fest: Das Mädchen hängt am Seil und kann jeden Moment abstürzen – was in der Realität tatsächlich oft passiert.


Für die Besucher und Besucherinnen der Ausstellungen in der Artrepco Galerie und im White Space wird das Dickicht erlebbar. Pflanzenartige Gebilde aus Kautschuk sind an Nylonfäden im Raum verspannt und erweitern die Zeichnung in den Realraum. Die schwarz bemalten Kautschukgebilde scheinen wie Algen oder andere wuchernde Gewächse, die sich zu einer immer dichter werdenden Struktur verstricken und ein unüberschau-bares Netzwerk bilden. Uta Siebert richtet den Blick unter die Oberfläche. Sie fördert zutage, was sich sonst tief in die Erde gräbt. Ihre Figuren bewegen sich in einer Art psychischen Landschaft, manche scheinen verwurzelt, andere tief im Dickicht verstrickt. Die Zeichnungsebene verdoppelt sich im Ausstellungsraum. Manchmal sind es auch Scherenschnitte oder der Strich der Künstlerin, der vom Papier auf die Wand übergreift. So nimmt Uta Siebert den ganzen Raum in Beschlag und legt artifizielle Plantagen an.


Die Rauminstallationen pendeln zwischen Zivilisation und Natur. Manche Zeichnungen scheinen gar eine zukünftige Gesellschaft zu zeigen. Die Spuren der Zivilisation sind überwuchert, die Menschen bewegen sich in einem Urwald aus Wurzeln und Lianen. Andererseits könnten die Arbeiten vom Wunsch zeugen, die Natur wieder in die städtischen Betonwüsten zurückzuholen. Und zwar möglichst frei wuchernd. Uta Sieberts Installationen wecken den Spiel- und Entdeckungstrieb – die Lust, durch ein Dickicht zu streifen, sich zu verstecken, zu verirren, um plötzlich auf einer Lichtung oder am Waldrand zu stehen.


Die Künstlerin entwickelt das Medium Zeichnung weiter, indem sie ihre Werke im Ausstellungskontext immer installativ zeigt. Dadurch erhalten die Arbeiten einen temporären Charakter. Einzelne Blätter tauchen in verschiedenen ihrer Installationen auf – allerdings immer anders inszeniert.


Text: Urs Küenzi